Jason Kahn 
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Jazz n' More
Interviewed by Tomas Korber
February 2003
http://jazznmore.ch

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Was haben das Summen eines Kühlschranks und das Dröhnen einer Grossstadt in der Nacht mit Musik zu tun? Schon Satie sprach seinerzeit von "Tapetenmusik" und meinte damit die Eigenschaft von Tönen, ihre Umgebung in eine ganz bestimmte Stimmung zu hüllen. Der in Los Angeles geborene und seit einigen Jahren in der Schweiz lebende Perkussionist Jason Kahn gibt Auskunft über seinen Werdegang und was es mit dem Reiz der kaum wahrnehmbaren Klänge auf sich hat.

Der Begriff 'Perkussion' ist bekanntlich stark dehnbar. Das muss er auch sein, wenn man bedenkt, dass sich ein Musiker wie Jason Kahn durchaus noch als Perkussionist versteht – Eine Ansicht, die wohl nicht viele Leute teilen, wenn sie sich seine Musik zum ersten Mal anhören.

Der Fokus von Kahns Schaffen liegt nämlich auf dem Klang; dem Versuch, mit möglichst wenig Veränderung beim Spielen einen spürbaren Effekt in der Musik zu erzielen. Eine Herangehensweise, die nicht zuletzt durch Kahns intensive Beschäftigung mit persischer, arabischer und türkischer Musik zu tun hat. Diese Einflüsse sind für den Hörer jedoch kaum bewusst wahrnehmbar (die Musik hat stilistisch nichts mit 'Weltmusik' zu tun), viel eher haben sie auf Kahns Spielhaltung einen Effekt: "Was mich an dieser [ethnischen] Musik so fasziniert, ist dass sie mit ganz einfachen Mitteln gespielt wird – Meist bloss eine Trommel, auf der man grundsätzlich zwei verschiedene Klänge zur Verfügung hat, ein 'dum' (der Basston) und ein 'tak' (entspricht dem Snare eines Schlagzeugs). Weil die Anordnung so minimal ist, muss man ganz genau drauf achten, wie man verschiedene Nuancen aus dem Instrument herausholt. Die intensive Beschäftigung mit diesen Instrumenten hat mich sehr auf die Details des Klanges aufmerksam gemacht. Andererseits hatte das ganze auch einen grossen Einfluss auf mein Gefühl für Rhythmen. Das alles schlägt sich sicher in meiner jetzigen Art zu spielen nieder."

Kahns Umgang mit Rhythmus lässt sich wohl am ehesten mit den amerikanischen 'Minimalisten' - Steve Reich, Tony Conrad, la Monte Young oder Terry Riley – vergleichen, allesamt Künstler, für welche das Konzept der Wiederholung eine entscheidende Rolle spielt. So überrascht es nicht zu hören, dass Kahn im Berlin der frühen Neunziger oft in Technoklubs anzutreffen war, vereinte diese Musik doch viele Elemente, die eine grosse Anziehungskraft auf ihn ausüben – Repetition, Groove etc.


Um die ganze Welt

Berlin? Nur eine von zahlreichen Stationen im Leben Kahns. Der gebürtige New Yorker, der seit früher Kindheit in Los Angeles lebte, machte nämlich schon sehr früh Abstecher nach Paris und London. Später dann - anfangs 90er - zog er von LA nach Berlin, wo er acht Jahre lang lebte. Anschliessend folgte ein kurzer Zwischenstopp in Tokio, dann wohnte Kahn in Genf und heute lebt er in Zürich (und bekommt, wie er in unserem Gespräch zugibt, langsam auch wieder Heimweh nach LA). Es fällt auf, dass Kahns Musik trotz der Berührung mit so vielen verschiedenen Kulturen sehr homogen wirkt. Jedenfalls weniger fragmentiert, als man es bei einer solch bewegten Geschichte auch hätte erwarten können.
Der Charakter von Kahns Musik hat etwas meditatives, fast schon 'sphärisches', obwohl der Musiker keineswegs auf diesen Effekt abzielt: "Ich glaube das kommt davon, dass ich mich sehr auf einzelne Klänge und deren Entfaltung in Zeit und Raum konzentriere. Die daraus resultierenden langsamen Bewegungen geben der Musik wohl das, was Du 'meditativ' nennst, ich mache das aber nicht mit Absicht." Kahn zieht auch den Vergleich zu der Wirkung von manchen Gemälden Mark Rohtkos: "Ich sah diese Bilder in der 'Tate Gallery' als ich noch in London lebte. Der Eindruck, den sie auf mich machten war einfach überwältigend. Die Art und Weise, wie diese grossen Farbfelder vor der Leinwand zu schweben scheinen... Für mich haben gewisse Klänge einen ähnlichen Effekt."


CUT Records

1998 gründete Kahn seine eigene Plattenfirma CUT, damals vor allem um eigene Projekte realisieren zu können. Inzwischen hat Kahn auch damit angefangen fremde Projekte zu realisieren, welche es seiner Meinung nach verdient haben einem etwas breiteren Publikum vorgestellt zu werden. Obwohl die veröffentlichte Musik meist elektronisch ist, folgt sie unterschiedlichen ästhetischen Prinzipien, wie beispielsweise ein Vergleich zwischen Kahns eigenem Projekt 'Repeat' (mit Toshimaru Nakamura) und der kürzlich erschienenen CD von Jason Lescalleet 'Matresslessness' (siehe Besprechung im JNM 6/02) zeigt. Einziges verbindliches Kriterium ist dabei der Geschmack von Jason Kahn. Das Label, welches mit bisher neun Veröffentlichungen langsam aber stetig wächst, stösst auf viel Echo und Kahns Willen nicht nur eigene Projekte rauszubringen, werden das Wachstum in Zukunft mit Sicherheit noch fördern. Kahn würde sich darüber freuen, denn im Moment zahlt er für das Label eher noch drauf: "Was soll ich sagen... Andere geben ihr Geld für Ferien aus, ich stecke es halt in CUT. Mir bereitet das Freude."

Es ist interessant zu beobachten, dass die Veröffentlichungen auf CUT sehr verschieden sind. Obwohl meist elektronisch generierte Sounds Verwendung finden, sieht Kahn sein Label keineswegs nur als Plattform für elektronische Musik; überhaupt ist es nicht leicht einen gemeinsamen Nenner zwischen den Veröffentlichungen zu finden. Auf die Frage nach einer Labellinie antwortet Kahn denn auch: "Es geht nicht um ein bestimmtes 'Genre'. Die einzige Linie ist mein Geschmack und dieser verändert sich natürlich über die Jahre."


Von Menschen und Maschinen

Diesen 'Geschmack' in Worte zu fassen ist nicht einfach: Kahn geht es musikalisch weniger um absolute Konzentration oder um bedingungsloses Hinhören, sondern viel eher darum, Musik zu erschaffen, die an der Peripherie des Bewusstseins stattfindet: "Wir sind umgeben von all diesen Geräuschen, die wir meist gar nicht wahrnehmen. Nur wenn wir unsere Aufmerksamkeit darauf lenken hören wir das Knacken des Neonlichts oder das Summen des Kühlschranks. Ich wünsche mir, dass meine Musik auf ähnliche Art funktioniert. Nicht genau das, was Satie mit seiner 'Tapetenmusik' meinte, aber auch keine Musik, bei der man sich bis zum geht nicht mehr konzentrieren muss... Von mir aus kann meine Musik auch einfach im Hintergrund laufen, wie eine Maschine."

Doch wie steht es um die Berechtigung solcher Musik? Weshalb nimmt Kahn nicht einfach gleich direkt eine Maschine auf? "Oh, aber das habe ich ja sogar mal gemacht!" Gelächter. Dann fügt er hinzu: "Perkussion und Elektronik – Das ist einfach meine Art zu arbeiten und ich geniesse es. Vielleicht kommt tatsächlich einmal der Tag, an dem ich aufhöre Musik zu machen, weil es mir genügt auf der Strasse herumzulaufen und den Geräuschen der Umgebung zuzuhören..." Wir hoffen das dieser Tag nicht ganz so schnell kommt. Schliesslich würde er das Verstummen einer originellen und bereichernden Stimme bedeuten. Und das wäre doch schade.

 

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